Was wir einkaufen, wie wir uns fortbewegen und wohin wir auf Urlaub fahren – damit beschäftigen wir uns in der Klimadebatte schon lange. Doch um Emissionen zu senken, müssen wir nicht nur unseren Konsum neu denken, sondern auch die Tätigkeit, mit der wir am meisten Zeit verbringen: unsere Erwerbsarbeit. Eine Verkürzung der Arbeitszeit bietet Chancen für breite politische Bündnisse und eine bessere Zukunft für alle.
Was hat Arbeit mit dem Klima zu tun?
Erwerbsarbeit, wie sie heute organisiert ist, ist mit zahlreichen umweltschädlichen Prozessen verknüpft. Als Produktionsfaktor umfasst sie viele Tätigkeiten und Abläufe, die mit hohem Energie- und Ressourcenverbrauch verbunden sind. Das gilt vor allem für den Produktionssektor. Doch auch Dienstleistungen sind nicht unbedingt umweltschonend, z. B. der Transportsektor oder weil sie auf der vorgelagerten Produktion von Gütern basieren.
Gleichzeitig ist Erwerbsarbeit ein wichtiger Treiber von Wirtschaftswachstum. Steigt die Arbeitsproduktivität, ist weniger Arbeitszeit erforderlich, um dieselbe Menge an Gütern und Dienstleistungen herzustellen. Unternehmen benötigen dann weniger Beschäftigte und Arbeitnehmer:innen verlieren ihre Arbeitsplätze. Dieser Mechanismus wird durch Wirtschaftswachstum ausgeglichen, also steigende Produktion. Im gegenwärtigen System ist daher Wachstum notwendig, um bei steigender Produktivität Arbeitsplatzverluste zu verhindern. Gleichzeitig ist Wirtschaftswachstum eng verknüpft mit einer zunehmenden Umweltbelastung.
Erwerbsarbeit ist darüber hinaus auf individueller Ebene mit nicht nachhaltigen Lebensweisen verbunden. Zum einen haben die meisten Menschen keine andere Wahl als zu arbeiten, um Einkommen und soziale Absicherung zu erhalten. Gleichzeitig strukturiert Erwerbsarbeit den Alltag außerhalb der beruflichen Tätigkeit und schränkt Möglichkeiten für klimafreundliches Handeln ein. Viele Menschen sind in einer Spirale langer Arbeitszeiten, hoher Einkommen und steigenden Konsumniveaus gefangen, was in der Literatur als „Work-and-Spend-Cycle“ bezeichnet wird. Klimafreundliche Tätigkeiten sind oft zeitintensiv, etwa Bahnfahrten verglichen mit Flügen. Ausufernde Arbeitszeiten begünstigen daher zeitsparende, aber ressourcenintensive Praktiken. Mentale und körperliche Belastungen am Arbeitsplatz machen es zudem wahrscheinlich, dass Beschäftigte einen Ausgleich über Konsum suchen.
Aus diesem Grund ist Arbeitszeitverkürzung eine zentrale Stellschraube, um klimafreundliche Praktiken außerhalb der Erwerbsarbeit überhaupt zu ermöglichen. Weniger Erwerbsarbeit bedeutet aber auch weniger CO2-Emissionen in der Produktion.
Produktionsseitige Effekte
Die Debatte um die Umweltwirkungen einer Arbeitszeitverkürzung dreht sich oft um die Frage, was Beschäftigte mit der zusätzlichen freien Zeit machen. Das ist aber zu kurz gegriffen. Mehr Freizeit führt nicht zwangsläufig zu höherem Konsum, vor allem wenn sie durch kürzere tägliche Arbeitszeiten entsteht. Zudem wird die Verantwortung für Nachhaltigkeit dadurch einmal mehr auf das Verhalten einzelner Konsument:innen geschoben. Die Verantwortung von Unternehmen und politischer Regulierung gerät dabei oft aus dem Blick.
Eine Arbeitszeitverkürzung ist ein zentraler Hebel, um produktionsseitig Emissionen und Ressourcen einzusparen. Manche Branchen sind so klimaschädlich, dass Stilllegungen oder ein Rückbau erforderlich sind. Kohle-, Luftfahrt-, Stahl- oder Automobilbranche sind Beispiele dafür. Gleichzeitig gibt es Bereiche, deren sozialer Nutzen fragwürdig ist, z. B. Werbung und Marketing, die Glücksspielbranche oder bestimmte Finanzdienstleistungen. In diesen Branchen kann eine Arbeitszeitverkürzung ohne Personalausgleich helfen, Beschäftigungsverluste abzufedern.
Umweltentlastungen sind auch möglich, wenn beispielsweise durch eine 4-Tage-Woche die Betriebs- oder Öffnungszeiten reduziert werden und Energie für Heizen und Beleuchtung wegfällt.
Zudem könnte Arbeitszeitverkürzung dazu beitragen, den Wachstumsdruck zu verringern. Immer mehr Studien zeigen, dass sogenanntes „grünes Wachstum“ nicht realistisch ist. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, dann ist ein Rückbau notwendig. Indem das sinkende Arbeitsvolumen auf mehr Köpfe aufgeteilt wird, lässt sich Arbeitslosigkeit verhindern.
Weshalb eine Arbeitszeitverkürzung gerade in Zeiten des „Fachkräftemangels“ wichtig ist
In der öffentlichen Debatte um den sogenannten Fachkräftemangel werden die Chancen einer Arbeitszeitverkürzung oft ausgeblendet. Dabei liegen die Gründe oft in unattraktiven Arbeitsbedingungen und schlechter Bezahlung. Eine Arbeitszeitverkürzung kann jene Branchen attraktiver machen, in denen derzeit aufgrund hoher Arbeitsbelastung Fachkräfte fehlen. Eine groß angelegte Pilotstudie im Vereinigten Königreich zeigt, dass Selbst-Kündigungen in Betrieben, die eine 4-Tage-Woche eingeführt haben, zurückgegangen sind. Zudem könnten kürzere Arbeitszeiten gesundheitliche Belastungen verringern und so Arbeitskräfteknappheit entgegenwirken.
Die Arbeitnehmer:innenvertretung sollte die Arbeitskräfteknappheit als Chance sehen: Zum einen erleichtert sie den Rückbau nicht nachhaltiger Branchen bzw. von Bereichen, die nur bedingt zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse beitragen. Hier ist auch eine breite Umschulungs- und Qualifizierungsoffensive notwendig, um Beschäftigte in klimaschädlichen Branchen für nachhaltige und gesellschaftlich notwendige Bereiche auszubilden. Gleichzeitig bedeutet eine Arbeitskräfteknappheit immer auch, dass sich Machtverhältnisse zugunsten der Arbeitnehmer:innen verschieben. Diese Macht sollte gerade jetzt genutzt werden – nicht nur, um für bessere Arbeitsbedingungen und angemessene Löhne zu kämpfen, sondern auch für eine kollektive Arbeitszeitverkürzung!
Dieser Artikel ist zuerst im A&W Blog erschienen
Foto: dylan nolte / Unsplash